Überstunden in Frankreich: Klarstellung zur Zulässigkeit von Beweismitteln
In einem kürzlich ergangenen Urteil vom 7. Februar 2024 hat der französische Kassationshof (Az. 22-15.842) entschieden, dass der Arbeitgeber auch dann, wenn er kein objektives, zuverlässiges und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit eingeführt hat, die Möglichkeit hat, die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeitszeit durch Vorlage aller rechtlichen, tatsächlichen und beweiskräftigen Elemente nachzuweisen.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind Arbeitgeber verpflichtet, ein objektives, zuverlässiges und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit jedes Arbeitnehmers einzurichten (EuGH, 14. Mai 2019, C-55/18).
Vor den französischen Richtern stellte sich demnach aber folgende Frage: Kann ein Arbeitgeber, der seiner Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung durch ein objektives, zuverlässiges und zugängliches System nicht nachkommt, andere Nachweise im Rahmen eines Rechtsstreits erbringen?
Die Richter stellten fest, dass ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Pflicht zur Einrichtung eines Zeiterfassungssystems ihn nicht daran hindern kann, weitere Nachweise zu erbringen, um sich gegen die Forderung eines Arbeitnehmers nach Zahlung von Überstunden zu verteidigen. Im vorliegenden Fall legte der Arbeitgeber Lohnabrechnungen, ein von ihm handschriftlich ausgefülltes Heft mit täglichen Stundenauflistungen und sogar Zeugenaussagen vor, die belegten, dass die Arbeitnehmerin mindestens eine Stunde Mittagspause gemacht und keine Überstunden geleistet hatte.
Praxistipps
- Auch wenn diese Pflicht nicht explizit von französischen Gesetzen vorgesehen wird, sollte ein objektives, zuverlässiges und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit eingeführt werden, denn die fehlende Arbeitszeiterfassung und die daraus resultierende Schwierigkeit, die vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden im Rahmen eines Rechtsstreits nachzuweisen, kann für den Arbeitgeber erhebliche finanzielle Folgen haben: Lohnnachzahlungen mit den für die letzten drei Jahre geltenden Zuschlägen, Schadensersatz bei Überschreitung der Höchstarbeitszeit, Risiko einer Verurteilung wegen Schwarzarbeit, Bußgelder, Schadensersatz usw.
- Ist die Einrichtung eines solchen Systems nicht möglich, so ist es dennoch zwingend erforderlich, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer mit jeglichen Mitteln zu erfassen. Dies kann beispielsweise erfolgen, indem der Arbeitnehmer Ihnen jeden Monat oder jede Woche im Voraus seinen voraussichtlichen Zeitplan übermittelt und am Ende jeder Woche den Bericht seiner Tätigkeiten, mit Hinweis auf die genaue Uhrzeit des Beginns und Endes der Arbeitstätigkeiten pro Tag sowie die Pausen.
- Alternativ kommt die Einführung einer Tagespauschale in Betracht, die den Vorteil bietet, die Arbeitszeit nicht mehr in Stunden, sondern in Tagen zu berechnen. Hierfür müssen aber bestimmte Voraussetzungen vorliegen, angefangen mit einer entsprechenden Regelung im Tarifvertrag.
20.03.2024